Das Märchen vom Containerboom im Hamburger Hafen
Michael Rothschuh***
Hamburg, das ist der Hamburger Hafen, das sind die bunten Containerberge, die riesigen Containerschiffe, die unermüdlich arbeitenden Containerbrücken – so präsentiert sich Hamburg stolz in aller Welt.
Die Prognosen für den Containerschlag zeigten
immer in Richtung 20, 30 und mehr Mio. TEU.
Tatsächlich bleibt der der Umschlag stabil unter 10 Mio. TEU
Die Ideologie ist seit 15 Jahren: Aufgrund der Globalisierung wird es ein unendliches Wachstum des Containerumschlags geben. Hamburg muss deshalb den Hafen erweitern – das Dorf Altenwerder musste schon vor Jahren weichen, Moorburg ist immer noch im Visier der Hafenerweiterer, man muss die Elbe vertiefen, neue Terminals bauen, bestehende erweitern. Und Hamburg braucht mehr Straßen, allen voran die Hafenquerspange, wo auch immer sie liegen möge.
Die Wirklichkeit sieht anders aus
Seit 10 Jahren gibt es kein Wachstum des Containerumschlags. Der Hafen sieht es schon als Erfolg an, wenn der Umschlag einigermaßen stabil bleibt. Nach 2008 wurde zunächst die Weltwirtschaftskrise als Grund für den Einbruch der Zahlen genannt. Es hieß dann: Es gäbe nur eine Wachstumsdelle. Immer wartete man darauf, dass nun endlich das Wachstum wieder käme. Es wurden neue Prognosen angestellt; die grundlegende Ideologie blieb: Bald kommt das Wachstum nun wirklich.
Straubhaar: Zeitenwende
Mittlerweile allerdings sind Ökonomen wie der frühere Chef des HWWI Straubhaar vorsichtiger geworden: Es gäbe eine Zeitenwende, heißt es in einem Interview von 2016: „Ja, die goldene Zeit des Handels im Sinne eines Massengeschäfts ist vorüber. Die Fixierung auf die Quantität stößt an Grenzen. Die Mengen lassen sich nicht beliebig weiter steigern. Bei der Quantität des Handels haben wir den Höhepunkt erreicht beziehungsweise überschritten. Stärker als früher müssen wir unsere Überlegungen auf Qualität ausrichten„.
Auch der Hafenverkehr auf der Straße wächst nicht
Und auch der Hafenverkehr auf der Straße ist nicht gewachsen. „Seit 2013 gibt es eine Verschiebung des Modal Split des Hinterlandverkehrs vom Lkw zum Bahntransport. Dadurch reduzierte sich auch das Transportaufkommen für den Lkw-Hinterlandverkehr von ca. 46,1 Mio. t im Jahr 2012 auf 42,0 Mio. t im Jahr 2015“ heißt es im Ende 2016 herausgegebenen Straßenverkehrsbericht der Hamburg Port Authority.
LKW-Verkehr auf der Köhlbrandbrücke: kein Wachstum
Kernfehler der Prognosen
Der Chef der HHLA von 2003-2016, Klaus-Dieter Peters, hat in seiner Rede zur letzten Hauptversammlung vom Juni 2016 die Containerentwicklung mit drei Zahlen gekennzeichnet: Wirtschaftswachstum +3,1%, Welthandel +2,8%, weltweiter Containerumschlag + 1,1%. Nach der Faustformel, die bisher die Prognosen bestimmt habe, läge das der Welthandels über dem Wachstum der Weltwirtschaft, der Containerumschlag wiederum oberhalb des der Entwicklung des Welthandels. Bei dieser Faustregel, so Peters, „würden wir jetzt ein Wachstum von 7 oder 8% sehen, in Wirklichkeit sehen wir beim Containerumschlag nur 1,1%„. Das bedeute, dass diese Faustregel nicht mehr gilt.
Tatsächlich galt sie eben auch in den letzten 10 Jahren nicht, so dass keine Prognose, die im Grunde auf dieser Faustregel beruhte, einen wirklichen Wert hat.
Die Geschichte vom ewigen Wachstum des Containerumschlags: ein Märchen, nicht mehr.
Diese Studie des Umwelt Bundes Amt stammt aus 2009.
Heute, 8 Jahre später, können viele der Prognosen als überhöht angesehen werden.
Doch auch schon damals resümiert das UBA im Hinblick auf den Neubau von Fernstraßen:
„Ein positiver Effekt des UBA-Szenarios für 2025 besteht darin, dass es deutlich macht, dass der Ausbau von Fernstraßen in Deutschland überflüssig ist. Baumaßnahmen sollten sich auf den Erhalt und die Optimierung bestehender Kapazitäten konzentrieren. Die Beseitigung von Engpässen an einer Stelle sollte durch Minderung der Kapazität an anderer Stelle einen Ausgleich finden. Dies würde auch dazu beitragen, die Kosten für den Unterhalt von Straßen in Deutschland nachhaltig zu senken.“ (Seite 112)
Das gesamte UBA-Gutachten von 2009:
UBA_2009_nachhaltiger_LKW_Verkehr
Eine Kurzfassung des UBA-Gutachtens von 2009:
UBA-Güterverkehr-2009-Kurzfassung
Und als 2-seitiges Info-Blatt:
UBA-Güterverkehr-2009-Infoblatt
Für eine zukunftstaugliche Hafeninfrastruktur ist die jetzt „Hafenpassage“ genannte Autobahn nicht auf der Höhe der Zeit.
Die Hafenpassage passiert bzw tangiert die Zentren des Hamburger Hafens weit im Süden. Sämtliche Containerterminals liegen im Norden und haben mit der Haupthafenroute eine direkte Hinterlandanbindung über die Auffahrt Waltershof an die A7.
Der Hafenverkehr braucht die Konzentration der Mittel auf die langfristige Sicherung der dieser Haupt-Hafenroute mit einer innovativen Nachfolge für die Köhlbrandbrücke im Westen und einen Tunnel südlich der Veddel – zum Schutz der Wohnbevölkerung und für eine direkte Anbindung des Hafens an die Bundesverkehrswege im Osten der Stadt.
In dieser Grafik von Michael Rothschuh werden zum einen die Alternativen zur Hafenquerspange für Personenverkehr dargestellt als auch die notwendige Konzentration der Mittel auf die langfristige Sicherung der Haupt-Hafenroute (zwischen Köhlbrandbrücke und Veddeler Damm). Diese Trasse wird im Hamburger Koalitionsvertrag zu Recht als „Lebensader des Hafens“ bezeichnet.
Diese Lebensader ist eine Stadtstraße und sie muss auch als solche für den Hafen erhalten bleiben. Eine Autobahn ist in erster Linie eine Transitstrecke für Fernverkehre und verfügt nicht über die erforderlichen kleinteiligen Anschlüsse. Sie wäre für den Hafen kontraproduktiv.
Aber aber gebraucht wird, ist eine Verbesserung der Anschlüsse an die vorhandenen Autobahnen: An die A7 im Westen und die A1 im Osten.
Auch für diese Hafenanschlüsse an das Bundesfernstraßennetz hat der Bund ausdrücklich seine Zuständigkeit erklärt. Damit eröffnet sich eine Chance für die Mitfinanzierung des Bundes sowohl für einen Tunnel südlich der Veddel als auch für einen Ersatz der Köhlbrandbrücke, der absehbar 2030 erforderlich sein wird. Auch dort wird über einen Tunnel für den LKW-Verkehr unter dem Köhlbrand nachgedacht. Als Brücke nur für PKW hätte die bestehende Brücke noch eine lange Lebensdauer.