Der von Staatsrat Rieckhof vorgestellte neue Autobahntunnel in Kirchdorf: Hintergründe, Bedeutung und Chancen
*** von Michael Rothschuh ***
Verschoben:
Der am 11.12 2017 von Staatsrat Rieckhof vorgelegte Zeitplan sieht ein Jahr längere Planung vor.
Noch im Juni 2017 hieß es: Die Planfestellung im Abschnitt 6c- Wilhelmsburg beginnt im Sommer 2018. Baubeginn war 2021 vorgesehen.
Am 11. Dezember 2017 hat der Hamburger Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof im Bürgerhaus angekündigt, dass er sich für einen Tunnel der Hafenquerspange (A26-Ost) zwischen der Eisenbahn und der Autobahn 1 einsetzen will. Ein Weihnachtsgeschenk an die Kirchdorfer*innen oder eine neue Variante im Drunter und Drüber der Planung der Hafenquerspange?
2010-2015 Drunter
Bei der Planung der Hafenquerspange hatte die Senatorin Hajduk (Grüne), ursprünglich mal eine glühende und überzeugende Gegnerin einer neuen Ost-West-Autobahn mitten durch Hamburg und Wilhelmsburg, im Parlament angekündigt:
„Für die weitere Planung, das ist wichtig, haben wir den Verlauf dieser Hafenquerspange bereits in diesem frühen Stadium so entschieden, dass wir im Bereich der Wohnbebauung an der Kornweide nur einen Tunnel für verträglich halten und für die weitere Strecke bis zur A 1 wegen Lärmschutzmaßnahmen der Bau in Troglage vorzusehen ist.“ (Bürgerschaft, 31.3.2010).
Entsprechendes wurde Anfang 2011 vom Bundesverkehrsminister in die Linienbestimmung übernommen, allerdings mit einem Vorbehalt, dass man die Länge des Tunnels und Troges noch einmal überprüfen solle.
Zum Bundesverkehrswegeplan meldete Hamburg 2013 – damals wie heute unter dem Bürgermeister Scholz, dem Wirtschafts- und Verkehrssenator Horch sowie dem Staatsrat Rieckhof – einen Tunnel von 650m und einen Trog von 1.134m Länge zwischen dem Tunnel und dem Anschluss an die A1 an.
2015 wurde entgegen der Linienbestimmung die HQS nicht mehr unterhalb der Kornweide geplant, sondern mitten durch die Siedlung Katenweg – aber bei Tunnel und Trog unter der Otto-Brenner-Straße, dem Brausielgraben und dem Stübenhofer Weg blieb es.
2016-2017 Drüber
Das änderte sich 2016 plötzlich und ohne Mitteilung oder Begründung. Man konnte es nur an den veränderten Plänen und Modellbildern erkennen, wenn man sie genauer prüfte. Die Hafenquerspange verlief plötzlich über den Brausielgraben und die Straße Stübenhofer Weg. Der Trog war weitgehend verschwunden. Das bedeutet, dass Kirchdorf-Süd durch eine hohe Lärmschutzwand vor der Autobahn geschützt und damit zugleich gegenüber der Natur im Süden Wilhelmsburgs abgeschottet werden müsste.
Gefragt nach dem plötzlichen Verschwinden des Troges gab es von der Verkehrsbehörde den Hinweis auf den Vorbehalt des Bundesverkehrsministers aus dem Jahr 2011, die man plötzlich entdeckt zu haben schien.
Eine plausiblere Erklärung hat am 11.12.2017 der Leiter der DEGES Vertreter Haß gegeben: Ein tiefer Trog ist bei den Wilhelmsburger Boden- und Wasserverhältnissen kaum gegen die Auftriebskräfte zu sichern, das heißt von unten würde der Aufbruch der Fahrbahn drohen. Dieses aber, so Haß, wäre bei einem tiefer gelegenen Tunnel (etwa 15-20 m tief) nicht in gleicher Weise der Fall. Ihn könne man also im Gegensatz zu einem Trog bauen.
2017 Drunter und Drüber bei der Planfeststellung
Anfang 2017 wurde für den ersten, also den Moorburger Abschnitt der A26-Ost das Panfeststellungsverfahren eröffnet. Während in Wilhelmsburg gerade der Trog abgeschafft wurde, stehen Kirchdorfer Tunnel und Trog als zwingende Merkmale der Trasse der A26-Ost sowohl im Erläuterungsbericht der Planfeststellung als auch im Umweltgutachten. Viele der 1300 Einwendungen gegen die Planfeststellung richteten sich auch gegen diesen Widerspruch zwischen Umweltgutachten und tatsächlicher Planung.
Die für November 2017 angekündigte Erörterung der Planfeststellung wurde verschoben. Die Planfeststellung drohte damit schon beim ersten Abschnitt zu scheitern.
Dezember 2017: Drunter
Die Ankündigung eines Tunnels durch den Staatsrat Rieckhof ist eine Flucht nach vorne und soll die Planfeststellung retten. Dabei ist anzuerkennen, dass der Staatsrat damit Ideen aus dem Papier der Perspektiven-Arbeitsgruppe positiv aufnimmt.
Aber es gibt eine Reihe von Vorbehalten:
- Weder Senat noch Bürgerschaft noch der Bundesverkehrsminister noch der Bundestag, der das bezahlen soll, haben der Planung bisher zugestimmt.
- Zudem würde auch eine Autobahn mit einem Tunnel gegen den Naturschutz und die Stadtentwicklung Moorburgs sprechen.
- Auch der Südwesten Wilhelmsburgs, der jetzt Gewerbegebiet ist, aber in den nächsten 20 Jahren zu einem urbanen Gebiet umgewandelt werden könnte, würde durch eine Autobahn auf Dauer unbewohnbar gemacht werden.
- Die Kornweide zwischen der Reichsstraße und der Otto-Brenner-Straße würde zu einem Teil eines Autobahnkreuzes werden.
- Zudem ist völlig unklar, was auf den vermeintlich freien Feldern geschehen soll. Auf dem Tisch liegen noch die Pläne der „alten“ Handelskammer, dieses Gebiet zu einem riesigen Gewerbegebiet zu machen.
Sicher ist: Die Planung wird länger dauern – oder aber abgebrochen werden
Ganz beiläufig ging es am 11.12.2017 um den Zeitplan. Wer ihn mit dem Zeitplan vom Juni 2017 vergleicht, erkennt: Die Planfeststellung für den Wilhelmsburger Abschnitt der A26-Ost wird ein Jahr später als zuvor angekündigt, nämlich frühestens Ende 2019 beginnen. Gebaut werden soll frühestens in der nächsten Legislaturperiode der Bürgerschaft, die 2020 beginnt. Der Bau soll dann – vielleicht – Ende 2026 fertig sein.
Aber das ist für die Wilhelmsburger*innen ja keine neue Erfahrung: Die DEGES hatte noch Ende 2010 verkündet, die Wilhelmsburger Reichsstraße könne bis zum Beginn der Internationalen Gartenschau im Frühjahr 2013 fertig sein. Jetzt wird das Jahr 2019 angepeilt.
Aber vielleicht lernt Hamburg spätestens bei der ITS 2021, dem in Hamburg stattfindenden Weltkongress zu „Intelligenten Transport-Systemen“, dass der Bau von neuen Autobahnen mitten durch eine Stadt das Gegenteil von moderner, nachhaltiger und intelligenter Planung ist.