Eine „Irre Vision“ aus dem Jahre 1939
Die Pläne für eine Hafenquerspange als Teil eines Autobahnringes um Hamburg gibt es seit 1939. Warum wurde sie in diesen 78 Jahren nicht realisiert? Über die Geschichte ihrer Widersprüche und Widerstände sollte ein Buch geschrieben werden!
Eine Gliederung und Zusammenfassung dazu gibt es dazu eigentlich schon. Sie stammt von Michael Rothschuh: Kleine Geschichte der Hafenquerspange
Nach dem Krieg sollte Hamburg autogerecht wieder aufgebaut werden. Dazu wurden 135 km Autobahn kreuz und quer durch die Stadt geplant. Diese Pläne der 50iger Jahre hat Oliver Schirg 2016 für das Hamburger Abendblatt recherchiert und beschreibt sie als „Irre Vision“: Die irre Vision von einer Hamburger Stadtautobahn
„Das eigentliche Aus“ schreibt Schirg “ kam dann Ende der 70er-Jahre durch den Widerstand von allerlei Bürgerinitiativen. „Von ‚Stadtautobahn‘ ist überhaupt keine Rede mehr“, schrieb das Abendblatt im Frühjahr 1979. „Das ist heute ein Reizwort wie Kernkraftwerk.“
Als Beispiel sei die Bürgerinitiative Winterhude genannt, die am 16.Februar 1973 600 Menschen in die Matthäuskirche mobilisiert hatte, um gegen die geplante „Betonpiste Winterhude“ zu protestieren: Peter Ernst berichet darüber 1973 in der ZEIT: Peter Ernst- Buerger gegen Beton
In Hamburg mittlerweile ein Reizwort, geht die Planung der Autobahn Hafenquerspange im Süden der Stadt munter weiter. 1979 gar wird der baldige Bau der „Hafenautobahn“ durch Wilhelmsburg angekündigt:
Hier der komplette Artikel: Die_Hafenautobahn_wird_gebaut_1979
Warum die Hafenautobahn bis heute nicht gebaut ist, das hat Michael Rothschuh in seinem anschaulichen Beitrag für das Wilhelmsburg-Buch des Vereins Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg „Eine starke Insel mitten in der Stadt“ dargestellt:
Wie die Hafenquerschlange besiegen?
Eine Kritik aus städtebaulicher Sicht hat 2012 die bis 2013 tätige IBA-Hamburg formuliert: 2009-08-12_HQS Stellungnahme_IBA
Eine Demo-Auswahl gegen die Hafenquerspange
2. Mai 2000
Karnevals-Demo 2007
Demo am 4. April 2009: 1000 Menschen marschieren von Kirchdorf-Süd zum Rathaus an der Mengestraße
2009 mit dabei: Der Bundestagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose, SPD
Protest beim Forum „IBA meets IBA“ zur IBA-Eröffnung am 23.3.2013 im Bürgerhaus Wilhelmsburg
Als Veranstaltung mit baukulturellem Anspruch hatte die IBA-Hamburg eine kritische Position
zu den Autobahnplänen für die Elbinseln.
In diesem Sinne wünschten wir uns mit dieser Aktion von der IBA Hamburg einen kraftvollen Widerspruch,
wenn der Hamburger Senat just zur Eröffnung der IBA die Hafenquerspange (jetzt als A26-Ost) für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet hat (Anfang März 2013)
Kundgebung in Moorburg am 8.10. 2016
SPD und GRÜNE:
Eigentlich will niemand die Hafenquerspange
In einem Bürgerschaftsantrag vom 15.Mai 2002 fordert die GAL die Umsetzung der Forderungen aus der Zukunftskonferenz Wilhelmsburg. Dazu gehört ein Moratorium für die Hafenquerspange und eine öffentliche Diskussion zur Verkehrsplanung im Hamburger Süden: 2002_brückenschlag-über-die-elbe-realisieren
Zur Wahl für die Hamburgische Bürgerschaft am 24.2. 2008 hatten sich die Grünen Spitzenkandidatinnen Christa Goetsch und Anja Hajduk sehr klar gegen eine Betonkoalition und u.a. gegen den Bau der Hafenquerspange positioniert, die Frau Hajduk als „Katastrophe für Wilhelmsburg“ bezeichnete: https://youtu.be/jg6E1O0BNJM
Nach der Wahl als Stadtentwicklungssenatorin auch zuständig für den Bereich Verkehr überrascht Anja Hajduk die Öffentlchkeit dann mit Autobahnplänen für Wilhelmsburg: Die Hafenquerspange soll jetzt durch den Süden Hamburgs geführt werden.
Nach heftigen Protesten und der großen Demonstration am 4.4.2009 stellt sie sich einem 1. Dialog bei einer öffentlichen Diskussion am 21.4. 2009 im Bürgerhaus Wilhelmsburg:
Es folgte ein mehrmonatiger „kooperativer Beteiligungsprozess“ unter der Moderation von Markus Birzer. Allerdings war die Senatorin zu keinem Kompromiß bereit: Sie hielt ohne Abstriche an ihren Autobahnplänen fest.
Die beteiligten Bürgergruppen haben ihre Kritik am Verfahren und am Ergebnis am 9.11.2009 vorgetragen: Erklaerung der Bürgergruppen am 9-11-09
Später räumt Anja Hajduk ein Scheitern dieses Beteiligungsprozesses ein:
Diese Aussage trifft sie am 27.1.2011 im Bürgerhaus Wilhelmsburg beim Wahlprüfstand des Vereins Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg.
Wieder ein Wahlkampf, wieder ein Versprechen für Öffentlichkeitsbeteiligung für den Fall einer Grünen Mitregierung:
Jetzt in 2017 steht Frau Hajduk erneut zur Wahl. Diesmal für den Deutschen Bundestag.
Auch Michael Neumann, SPD,
verspricht bei der Verkehrsplanung die gemeinsame Suche an den besten Lösungen und Ergebnisoffenheit: Man könne als Behörde nicht mit einem Plan A in die Bürgerdialoge reingehen und mit dem selben Plan A auch wieder rausgehen:
Ebenso Andy Grote,
damals stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD, der in der Bürgerschaftsdebatte am 31.3.2010 die Pläne für die Hafenquerspange vor der Linienbestimmung noch sehr grundsätzlich kritisiert hatte: Andy Grote_zur Hafenquerspange 2010
Markus Schreiber, SPD,
war 2010 Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte. Statt eines in Kirchdorf vorgesehen Troges fordert er eine komplette Deckelung bzw. eine Trassenführung südlich der Süderelbe:
Von all diesen Forderungen und Versprechungen von vor den Wahlen ist mittlerweile keine Rede mehr. Eine ergebnisoffene Bürgerbeteiligung hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Die Behörden verfahren nach dem Motto: „Beschließen, verkünden, für Akzeptanz sorgen, umsetzen“. Bei den Informationsveranstaltungen seit Oktober 2016 dürfen Fragen gestellt werden. Das Projekt als solches kann aber nicht mehr in Frage gestellt werden. „Die Messe ist gesungen“ ließ Staatsrat Rieckhof in Zeitungsinterviews verlauten. Daran ändert auch der jetzt in Wilhelmsburg aufgelegte „Beteiligungsprozess“ nichts: Hier geht es explizit nur noch um „sekundäre Themen“. Die Planung als solche ist gesetzt.